Jacques Buus wurde um 1500 in Flandern geboren, er war ab 1541 Organist an San Marco in Venedig sowie ab 1550 an der Hofkapelle Ferdinands I. in Wien, wo er Ende August 1565 verstarb. [...] Vor seiner Anstellung an San Marco tritt Buus nur als Komponistenname in Notendrucken auf, und zwar mit insgesamt sechs Chansons und einer Motette in Sammlungen von Jacques Moderne in Lyon. [...] Seinen ersten Individualdruck, den er teilweise selbst finanziert hatte, nämlich die hier vorliegenden sechsstimmigen französischen Chansons von 1543, widmete er Renée de France bzw. Renata von Ferrara, der Tochter von Louis XII. und Gemahlin von Ercole II. d’Este, deren Hof als Zufluchtsort für Protestanten in Italien galt. [...] Nicht nur geographisch war die französische Chanson des 16. Jahrhunderts weit gefächert, sondern auch in ihrer musikalischen Stilistik sowie in ihren poetischen Inhalten. [...] Es gab Chansons für 2 bis 8 Stimmen, doch bei weitem die meisten waren vierstimmig gesetzt, daneben existierte eine kleine Sondertradition dreistimmiger Chansons. Die Satztechnik reicht von durchgängiger Homophonie, besonders bei den Pariser Komponisten, bis zu komplexen kontrapunktischen Verfahren inclusive Kanon-Strukturen bei den franko-flämischen Komponisten wie Gombert und eben auch Buus. Wie bereits angedeutet, zeigen Buus‘ Chansons eine Mischung niederländischer Einflüsse (Durchimitation und kontrapunktisches Denken, das aber weniger streng als in den Motetten geschweige denn in den Ricercari ausfällt) mit französischen Elementen (Parlando in kurzen Notenwerten, schnelle Tonwiederholungen, „eine belustigend rasche Art des Deklamierens“. [...] Zu den Wesenszügen der französischen Chanson gehört die Idee der Parodie. Bereits vertonte Texte wurden oft und sogar mehrfach von anderen Komponisten aufgegriffen, wobei die Neuvertonung meist Bezug auf bestehende Vorbilder nimmt, indem einzelne oder mehrere Stimmen übernommen werden, sei es wörtlich oder freier an der Vorlage orientiert, als Anspielung. Somit kehren nicht nur beliebte Gedichte, sondern auch bestimmte Melodien wie Ohrwürmer dieses Repertoires immer wieder. Solche „Hits“ des 16. Jahrhunderts finden sich auch in Buus‘ Sammlung von 1543, beispielsweise die bereits vor ihm beliebten Content désir und Vivre ne puis oder auch Doulce mémoire, zu deren weiterer Popularisierung er selbst mit beigetragen hat. [...]
Aus dem Vorwort von Christoph Flamm