Mit der vorliegenden Ausgabe der zuerst 1610 erschienenen Cantiones Sacrae Chorales liegen nach der vom selben Herausgeber besorgten Ausgabe der Parodiemessen nunmehr Gesius’ Hauptwerke in kritischen Editionen vor. Dieser Zyklus stellt eine Sammlung liturgischer Gesänge dar, deren gregorianische Melodien mehrstimmig ausgesetzt sind.
Die Sammlung umfasst vor allem Propriums- und Ordinariums-Gesänge, darunter tropierte Kyrie-Sätze. Auffällig ist, dass fast alle Gesänge doppelt ausgesetzt wurden: einmal vierstimmig und einmal sechs- bzw. fünfstimmig. Nur einige wenige vierstimmige Sätze sind ohne sechsstimmige Pendants geblieben. Dabei repräsentieren die beiden so entstandenen Teile des Zyklus’ die beiden grundsätzlichen Satztypen der Zeit: Während die vierstimmigen Kompositionen im schlichten Kantionalsatzstil gehalten sind (homophon mit Choralmelodie in der Oberstimme), liegen die sechs- bzw. mehrstimmigen Sätze im motettisch-figurierten Stil vor. Die Besetzung ist rein a cappella. Der Stilwandel um 1600 hat Gesius nicht mehr erreicht, Generalbass und barockes Konzertieren kannte er noch nicht.