Eine Geschichte der protestantischen Kirchenmusik im 17. Jahrhundert, die der historischen Realität gerecht wird, ist bis heute nicht geschrieben. Ihre Grundlage muss eine Topographie der Kirchenmusik bilden, die näher bestimmt, an welchen Orten im Rahmen welcher Gegebenheiten von welchen Akteuren welche Musiken in welcher Form aufgeführt worden sind und welche Beziehungen zwischen diesen Orten bestanden haben. Eine jener notwendigen Grundlagenforschungen legt Hendrik Wilken vor, die sich der Musikgeschichte Breslaus zwischen 1621 und 1690 widmet.
Zum Teil erstmals ausgewertete musikalische und textliche Quellen in deutschen und polnischen Bibliotheken lassen ein umfängliches Bild der an Breslauer Kirchen wirkenden Musiker entstehen. Zugleich wird die komplexe Bibliotheksgeschichte der Stadt, insbesondere die Genese und Zusammensetzung der heutigen Sammlung Bohn, aufgearbeitet.
In detektivischer Erschließungsarbeit erforscht der Autor die musikarchitektonischen Gegebenheiten der einzelnen Haupt- und Filialkirchen, um die Aufführungsbedingungen zu rekonstruieren. Werkverzeichnisse von zwölf Breslauer Komponisten bilden schließlich die Grundlage für analytische Betrachtungen zur stilistischen Entwicklung der protestantischen Kirchenmusik in Breslau. Sichtbar werden hier immer wieder Einflüsse von Heinrich Schütz und Michael Praetorius, aber auch die entscheidende Rolle italienischer Komponisten für den Stilwandel am Ende des behandelten Zeitraums.