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om99 / Band 24
Ruggiero Fedeli (1655–1722)
Almira
Erstausgabe
Herausgegeben von Hansjörg Drauschke
om99
Ausgaben*

Ruggiero Fedeli zählt zu den europaweit tätigen Komponisten und Musikern des 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Geboren in Venedig, war ab 1669 Violaspieler in verschiedenen venezianischen Orchestern und an St. Marco, ab 1674 Bassist an St. Marco. Ab 1677 wirkte er zunächst in Bayreuth, ab 1687 am Dresdner Hof als Bassist. 1691–95 war er Kapellmeister am Hof zu Berlin; in den Jahren danach trat er mehrfach als Sänger in Hannover auf. Ab 1701 war Fedeli Kapellmeister des Landgrafen Karl von Hessen-Kassel. Er blieb aber auch andernorts aktiv: als Musiker und Komponist für den Berliner Hof nachweislich 1702, 1705 (Trauermusik für Sophie Charlotte) und 1708, für Braunschweig (1702) und für Wolfenbüttel (1704).

Fedelis Almira ist zunächst eines der raren Zeugnisse der vielseitigen Braunschweiger Opernkultur. Von den Braunschweiger Kapellmeistern Johann Rosenmüller, Johann Theile, Johann Sigismund Kusser, Reinhard Keiser und Georg Caspar Schürmann sind aus der Braunschweiger Zeit kaum Opern erhalten.

Von besonderem Interesse ist die Oper darüber hinaus als Beispiel für Fedelis Rolle bei der Vermittlung der italienischen Oper im norddeutschen Raum. Im Unterschied zu den italienisch beeinflussten deutschen Opernkomponisten und zu Agostino Steffani, dem in Deutschland einflussreichsten italienischen Komponisten (mit ihm stand Fedeli nachweislich 1713-16 in Briefkontakt), verzichtet Fedeli auf die sonst in Braunschweig wie auch an anderen deutschen Spielstätten übliche Mischung mit französischen Elementen. Almira ist ein stilistisch rein italienisches Werk venezianischer Prägung. Gerade diese Oper bildete den Ausgangspunkt einer Serie deutscher Almira-Opern: Sie initialisierte eine durch Reinhard Keiser in Auftrag gegebene Hamburger Textfassung, die von Keiser (nur Akte 1 und 2, nicht aufgeführt ) und Georg Friedrich Händel als „Der in Krohnen erlangte Glücks=Wechsel, oder: Almira, Königin von Castilien“ 1704 vertont wurde. Zwei weitere Almira-Opern Keisers entstanden 1704 für Weißenfels (Almira, Königin von Castilien) und 1706 für Hamburg („Der Durchlauchtigste Secretarius, Oder: Almira, Königin in Castilien“), jeweils auf Bearbeitungen des ersten Hamburger Librettos. Auf der Hamburger sowie auf der Weißenfelser Fassung basiert ein Libretto, das 1714 in Leipzig aufgeführt wurde (Almire und Fernando). Von Leipzig ausgehend kam es 1717 in Baden-Durlach zu einer Neuvertonung durch Johannes Käfer, Hofmusiker des Markgrafen Carl Wilhelm.

Fedelis Almira wirkte also entscheidend auf die Hamburger Oper und führte dort zur Einrichtung eines der erfolgreichsten deutschen Libretti der Jahre ab 1704. Der durch die Hamburger Überlieferungslage mögliche direkte Vergleich zwischen Fedeli, Keiser und Händel zeigt einerseits das große Potenzial der Braunschweiger Fassung von Pancieri/Fedeli, andererseits, wie massiv die Eingriffe bei der Bearbeitung für die Hamburger Bühne waren und welchen spezifischen Anforderungen an den musikalischen und szenischen Geschmack die neue Fassung genügen musste. Für die Vermittlungswege von Opernstoffen von Italien nach Deutschland, für die Art der Anverwandlung solcher Stoffe und Libretti sowie für das Verständnis der Spezifika der deutschen Oper um 1700 stellt Fedelis Almira damit ein zentrales Werk dar.

(Hansjörg Drauschke)

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