Die Quartette der Serie op. 3, die nur vier Jahre nach op. 2 veröffentlicht wurden, weisen deutliche Stilunterschiede gegenüber den Vorgängerwerken auf: „Rein technisch zeigen sie insofern einen Fortschritt, als der Continuo fortfällt und jede der Stimmen selbständig am thematischen Aufbau mitarbeitet; wir haben es hier mit einem wirklich solistisch besetzten Quartett zu tun; dies ist beachtenswert. Der Mittelsatz des I. Quartetts wird mit einer programmatischen Überschrift gestempelt: ‚Le lacrime di Petrarca‘. Von Synkopen, Schluchzern ähnlich, wird reichlich Gebrauch gemacht.“
Im Unterschied zur Serie op. 1, wo drei nahezu gleichberechtigten Oberstimmen ein weitgehend konservativer (General-)Bass gegenübersteht, zeichnen sich die Quartette op. 3 durch eine von vornherein wesentlich ausgewogenere Konzeption aus. Sie sind viel mehr dem Zeitgeschmack und seinem Verlangen nach gefälligeren und galanteren Ausdrucksformen angepasst. Während der Viola nun eine deutlich untergeordnetere Rolle zukommt — wobei sie nach wie vor als Soloinstrument in Erscheinung tritt – und der Bassstimme mehr Selbständigkeit zugetraut wird (man beachte das Solo im ersten Satz des ersten Quartetts), sind es vor allem Oktavierungen von kurzen Melodiepassagen oder Motivunisoni, die diesen Quartetten ihren ganz besonderen Reiz verleihen.
Jedoch sind ebenso die charakteristischen Merkmale des Wolfschen Personalstils anzutreffen. Längere und formal deutlich abgegrenzte Soli, bei denen das melodieführende Instrument durch die übrigen Stimmen homorhythmisch begleitet wird, wechseln sich mit strengen und kontrapunktisch dicht durchgebildeten, aber auch mit homophonen Passagen ab, die mitunter sehr an Opernkadenzen erinnern. Auch das nicht selten anzutreffende Frage-Antwort-Prinzip ist fester Bestandteil seines Stils. Wolfs differenzierte Artikulationspraxis ähnelt der Carl Philipp Emanuel Bachs; die artikulatorischen Details sind integraler Bestandteil der Komposition: „Die Ausarbeitung besteht in der glüklichen Wahl der Kleinigkeiten, die zur Schönheit des Tonstüks gehören: Forte, piano, crescendo, und mehrere Veränderungen oder Nüanzen, ein Triller, ein Vorschlag am rechten Orte u.s.m. tragen zur vollkommenen Schönheit bey.“ Auch die Art der rhythmisch feingliedrigen Differenzierung, wie sie besonders effektvoll in den ausdrucksstarken langsamen Sätzen zur Geltung kommt, und Wolfs offensichtliche Vorliebe für Chromatik verweisen auf Bach. Die konsequente Dreisätzigkeit der Quartette op. 3 lässt den norddeutschen Einfluss erkennen.
(aus dem Vorwort von Phillip Schmidt)