Johann Christian Roellig1 (1716–?) war ein Mitglied einer weit verzweigten sächsisch-lausitzischen Familie, dessen Identität erst in den letzten Jahren durch neuere Forschungen erhellt werden konnte. Lange Zeit wurden die musikalischen Quellen, die mit „Roellig jun.“ ausgewiesen waren, Johann Georg Röllig, dem späteren Zerbster Kapellmeister, zugeschrieben. Erst das divergierende Schriftbild von Johann Georg Röllig und den überlieferten Quellen Dresdner bzw. Meißener Provenienz, die meist in Schreibergemeinschaft mit Carl Jacob Christian Klipfel (1727–1802) entstanden waren, die eigenhändigen Datierungen zwischen 1752 und 1757, die Ortsangaben sowie die Wasserzeichen ließen Zweifel an der Urheberschaft aufkommen.
Johann Christian Roellig war offenbar Kreuzschüler und wurde von Musikern aus dem Umfeld des Dresdner Hofes ausgebildet. Von Johann Christian Roellig – im Unterschied zu seinem älteren, in Zerbst wirkenden Bruder „Roellig jun.“ genannt – sind eine Reihe von Kantaten für den lutherischen Gottesdienst, weltliche Vokalwerke und Instrumentalkompositionen überliefert, die eindeutig aus dem Dresdner und Meißener Umfeld stammen. Die Kopien wurden von dem Meißener Amateurmusiker C. J. Chr. Klipfel, der im Hauptberuf bis 1763 Blumenmaler in der Meißener Prozellanmanufaktur war, angefertigt. Widmungen an Mitglieder des sächsischen Hofes und Wasserzeichen des benutzten Papiers unterstützen die Annahmen über die regionale Zuordnung. Über Anstellungsverhältnisse oder Lebensumstände des jüngeren Roelligs im Dresdner Raum ist nichts bekannt. Nach dem Siebenjährigen Krieg, von 1763 bis 1771, ist ein Johann Christian Roellig als „Korrepetiteur“ der Ackermannschen Theatertruppe nachweisbar. Aus dieser Zeit sind in Hamburg zwei Lust- und ein Singspiel erhalten. Danach scheint Roellig in die Dienste des zunächst Dresdner, dann Hamburger Kaufmanns Heinrich Carl (von) Schimmelmann (1724–1782) getreten zu sein, der durch Handel mit Meißener Porzellan und Sklaven zu großem Reichtum gelangt war.
Die Kantate „Uns ist ein Kind geboren“ für den Gottesdienst am ersten Weihnachtsfeiertag 1755 umfasst acht Sätze, von denen jeweils vier vor bzw. nach der Predigt vorgesehen sind. Der zeitgenössische Textdichter ist nicht bekannt. Die Kantate beginnt mit einem schnellen, strahlenden Eingangschor. Danach folgt ein Secco-Rezitativ von Bass und Sopran (O Höchster Gott), in dem die Güte Gottes beschrieben wird, seine Verheißung wahr zu machen. In der Sopranarie Süßes Kind, sei uns willkommen mit konzertierender Flöte in der für die Zeit üblichen Dacapo-Form besingt das lyrische Ich mit starkem Affekt die Geburt Jesu aus seiner Perspektive. Der Choral Ach mein herzliebes Jesulein, d.h. die 13. Strophe des Weihnachtsliedes Vom Himmel hoch, beschließt den ersten Teil. Waren in diesem Choral die beiden Clarinen und Pauken klangbestimmend, so sind es die beiden Hörner im Choral Das Heil der ganzen Welt. Melodisch handelt es sich um eine Variante des Weihnachtsliedes Nun singet und seid froh, der Text ist neu gedichtet. In der virtuosen Dacapo-Altarie Immanuel, du Lust der Heiden wird die Bedeutung dieser Geburt für die Menschheit zum Ausdruck gebracht. In dem Secco-Rezitativ Mit freudigem Gemüt betonen alle vier Stimmen (SATB) nochmals die Güte Gottes den Sündern und verdammten Höllenkindern gegenüber, indem er selbst in der Gestalt des Jesu-Kindes auf die Erde kommt. Der Schlussappell, Auf, singt ihm Dank und Freudenlieder, wird im Schlusschor Jauchzet, jauchzet, ihr Himmel musikalisch gestaltet. Die Kantate ist um die Predigt vollkommen symmetrisch angelegt: Eingangschor – Rezitativ – Arie – Choral – [Predigt] – Choral – Arie – Rezitativ – Schlusschor. In der Klanggestaltung werden die Kadenzharmonien von D-Dur auch als Tonarten der einzelnen Kantatensätze zugrunde gelegt. Die Kantate ist ein wertvoller Zeuge von liturgisch geprägter Musik aus der Mitte des 18. Jahrhunderts in Sachsen, deren Wiederentdeckung auch heute zu einer Bereicherung des weihnachtlichen Repertoires beiträgt.
(aus dem Vorwort von Klaus Winkler)