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om191 / Band 9
Markus Heinrich Grauel (?-1799)
Konzert für Viola, Streicher und Basso continuo Es-Dur
für Vla (solo), 2 Vl, Va und Bc
Herausgegeben von Phillip Schmidt
om191
Ausgaben*

Über Markus (auch Marcus) Heinrich Grauel (oder Graul) ist nicht viel bekannt. Der Lexikograph Ernst Ludwig Gerber (1746–1819) widmete ihm in seinem ersten Lexikon einen kurzen Artikel: „Graul (Markus Heinrich) Königl. Preuß. Cammermusikus und Violonzellist zu Berlin, geb. in Eisenach, befand sich schon im Jahr 1766 an dieser Stelle. Er soll ein geschickter und solider Conzertspieler und Komponist für sein Instrument seyn. Ein Violonzellconzert von seiner Arbeit findet man in Mspt. in den Musikniederlagen [= Musikverlage].“[1] Darüber hinaus gibt es nur sehr wenige zeitgenössische Aussagen über Grauel. Als Charles Burney (1726–1814) auf seiner Reise durch Europa 1772 auch Berlin besucht, hört er Grauel in einem Konzert: „Herr Grauel […] spielte auch ein Concert auf seinem Instrumente. Die Komposition war nicht besonders, seine Ausführung war aber gut, ob er gleich nach der alten Art, den Bogen über der Hand spielte.“[2]
In den Lebensbeschreibungen berühmter Musikgelehrten und Tonkünstler von Johann Adam Hiller (1728–1804) wird Grauel in der Beschreibung des Strelitzer Konzertmeisters Johann Christian Hertel (1697/1699[?]–1754) als dessen Schwiegersohn genannt. Laut Hiller war Grauel Mitglied der Hofkapelle von Mecklenburg-Strelitz, bis diese 1753 aufgelöst wurde.[3]
Bevor er am 1. Dezember 1763 in die preußische Hofkapelle aufgenommen wurde,[4] befand sich Grauel bereits als Cellist in den Diensten des Grafen von Schaffgotsch.[5] Da sich zwischen 1748 und 1756 die Anwesenheit eines Kopisten namens Grau(e)l am preußischen Hof dokumentieren lässt, liegt die Vermutung nahe, dass sich mehrere Personen dieses Namens dort aufhielten.[6]
Als Musiker der preußischen Hofkapelle oblagen Grauel offenbar auch pädagogische Aufgaben.[7] Im Jahr 1799 verstarb er in Berlin.[8]
Bei Hiller heißt es über Grauel: „Spielt sein Instrument sehr gut, und setzet schöne Concerte und Solos für dasselbe.“[9] Allerdings sind heute nur noch sehr wenige Werke nachweisbar, und bei diesen ist die Zuschreibung nicht sicher. Ob das mit „GRAVEL“ bezeichnete, generalbassbegleitete Viola-Solo in Breitkopfs 2. Supplement von 1767 von Grauel stammte, ist nicht mehr zu klären.[10] Erschwerend kommt hinzu, dass die Namensähnlichkeit der Brüder Carl Heinrich (1703/04–1759) und Johann Gottlieb Graun (1702/03–1771), die als Kapellmeister und Konzertmeister der preußischen Hofkapelle im selben Umfeld agierten, vermutlich Fehlzuschreibungen begünstigte. Jedenfalls sind heute nur noch sechs Werke unter dem Namen Grau(e)l bekannt: eine Sonate für Violine und Cembalo in G-Dur (D-B, Mus. ms. 8140), ein Violinkonzert in A-Dur (D-Bsa, SA 2684), ein Violoncellokonzert in A-Dur (D-Bsa, SA 2686) und drei Violakonzerte (1. Es-Dur: D-Bsa, SA 2721/SA 2723; 2. C-Dur: D-Bsa, SA 2722/SA 3011; 3. Es-Dur: D-Bsa, SA 2685 [eine zweite Abschrift des Konzerts ist unter dem Namen „Graun“ überliefert: D-Bsa, SA 2725; GraunWV Cv:XIII:116]). [...]
Die Komposition selbst zeigt einige stilistische Gemeinsamkeiten mit Solo-Konzerten von Johann Gottlieb Graun, aber auch deutliche Unterschiede. Auffällig ist z.B., dass für den Binnensatz ebenfalls die Tonart der Außensätze gewählt wurde und dass er eine mehrteilige Liedform aufweist. Zudem wäre das Konzert ungewöhnlich kurz für Graunsche Verhältnisse. Andererseits sind die spieltechnischen Anforderungen an den Solisten mitunter sehr violinistisch.
In jedem Fall handelt es sich um ein handwerklich solide gearbeitetes Konzert, das durchaus geeignet ist, den Horizont des überschaubaren Viola-Repertoires des 18. Jahrhunderts zu erweitern.

Phillip Schmidt (aus dem Vorwort zur Edition)



[1]      Ernst Ludwig Gerber, Historisch-Biographisches Lexicon der Tonkünstler, Bd. 1, Leipzig 1790, Sp. 533.

[2]      Charles Burney, Tagebuch seiner Musikalischen Reisen [Bd. 3] Durch Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Hamburg und Holland. Aus dem Englischen übersetzt, Hamburg 1773, S. 164.

[3]      Siehe Johann Adam Hiller, Lebensbeschreibungen berühmter Musikgelehrten und Tonkünstler, neuerer Zeit, Leipzig 1784, S. 162 f.

[4]      Siehe Christoph Henzel, Berliner Klassik. Studien zur Graun-Überlieferung im 18. Jahrhundert, Beeskow 2009, S. 152, Fußnote 68.

[5]      Siehe dazu Friedrich Wilhelm Marpurg, Historisch-Kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik, Bd. III, Berlin 1757, S. 63. Vermutlich handelt es sich um Johann Nepomuk Gotthard Graf von Schaffgotsch (1713–1775), preußischer Oberstallmeister und Minister im Generaldirektorium, der in Berlin offenbar eine eigene Kapelle unterhielt.

[6]      Siehe Christoph Henzel, Berliner Klassik. Studien zur Graun-Überlieferung im 18. Jahrhundert, Beeskow 2009, S. 151 ff. Dort ist auch ein Brief von Grauel im Faksimile abgebildet. Siehe außerdem Christoph Henzel, „Die Schatulle Friedrichs II. von Preussen und die Hofmusik (Teil 2)“, in: Günther Wagner (Hrsg.), Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung. Preußischer Kulturbesitz, Stuttgart 2000, S. 175–209, insb. S. 205 f.

[7]      Siehe dazu Artikel „ Rose, Johann Heinrich Victor“, in: MGG2, Personenteil, Bd. 14, Kassel u.a. 2005, Sp. 391 f.

[8]      Siehe Christoph Henzel, Die italienische Hofoper in Berlin um 1800, Stuttgart und Weimar 1994, S. 271. Im Verzeichnis des musikalischen Nachlasses des verstorbenen Capellmeisters Carl Philipp Emanuel Bach, Hamburg 1790, S. 105, wird auf eine Zeichnung mit der Abbildung Grau(e)ls verwiesen, die aber nicht mehr auffindbar ist.

[9]      Siehe Johann Adam Hiller, Wöchentliche Nachrichten und Anmerkungen die Musik betreffend, Bd. 1, Leipzig 1766/67, 2.9.1766, S. 79.

[10]     Siehe Barry S. Brook (Hrsg.), The Breitkopf Thematic Catalogue. The Six Parts and Sixteen Supplements 1762–1787, Reprint: New York 1966, Supplement II, 1767, Sp. 279.

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