Zu Lebzeiten mit Mozart und Haydn in einem Atemzug genannt, begründete sich der Ruhm Antonio Rosettis (um 1750 bis 1792) hauptsächlich auf sein instrumentales Schaffen in den Diensten des Fürsten Kraft Ernst von Oettingen-Wallerstein. Aus Böhmen kommend trat Rosetti 1772 als Kontrabassist in dessen Hofkapelle. Seine Sinfonien, die Partiten für Bläserensemble und die Konzerte für ein oder mehrere Hörner erregten schnell überregionales Interesse und führten bald zu auswärtigen Aufträgen. Als Kapellmeister formte Antonio Rosetti das Orchester seines Fürsten zu einem Klangapparat, den Joseph Haydn lobend erwähnte und für das der große Wiener Kollege einige Sinfonien komponierte. Gemeinsam war beiden Komponisten auch die Aufmerksamkeit der Pariser Concerts spirituels, wo neben Sinfonien Haydns und Mozarts auch Werke von Antonio Rosetti zu hören waren. Eine seiner zahlreichen Reisen führte den Komponisten 1782 in die französische Hauptstadt. Rosetti berichtete seinem Fürsten vom dortigen Musikleben und auch von der Wertschätzung, die seiner Musik und seiner Person an der Seine zuteil wurde.
Fürst Kraft Ernsts Vorliebe für Instrumentalmusik führte zu einem entsprechenden Schwerpunkt innerhalb Rosettis Oeuvre. Jedoch trat der Komponist in seiner Wallersteiner Periode mehrfach auch mit Chorwerken hervor. Ein 1776 aus Anlass des Todes der jungen Fürstin entstandenes Requiem fand sehr schnell Verbreitung und erklang im Dezember 1791 sogar zur Trauerfeier für Wolfgang Amadé Mozart in Prag. Von Rosettis erstem Oratorium „Der sterbende Jesus“ befand sich ein gedrucktes Exemplar in Mozarts Nachlass. Bis in unsere Zeit ist dieser Druck der einzige eines Vokalwerkes des Komponisten geblieben.
Sah sich Antonio Rosetti in Wallerstein mit Blick auf seine zahlreichen Werke und sein überregionales Renommee zwar im Lichte eines großen Erfolges, so blieb seine wirtschaftliche Situation am schwäbisch-fränkischen Hof aber immer prekär. Letztlich veranlasste dies den Komponisten, 1789 auf die weit besser dotierte Stelle des Hofkapellmeisters von Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin in dessen Residenz nach Ludwigslust zu wechseln. Im protestantischen Norden des Heiligen Römischen Reiches schuf Rosetti weitere Sinfonien, aber auch ein Anzahl großer Vokalwerke. Als Antonio Rosetti am 30. Juni 1792 starb, verlor die Musikwelt nach den Worten von Christian Friedrich Daniel Schubart einen der beliebtesten Tonsetzer [ihrer] Zeit. [Christian Friedrich Daniel Schubart: Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst (1784/85), Wien 1806, S. 167]
Während seiner Tätigkeit in Wallerstein versuchte Antonio Rosetti seine materielle Situation mit der Erfüllung auswärtiger Aufträge zu verbessern. Diesem Umstand ist vermutlich auch die Entstehung der hier erstmals vorgelegten Messe in g/G RWV H13 zu verdanken, wenngleich der Auftraggeber im Dunkeln bleibt. Wie bei allen außerhalb des fürstlichen Archivs überlieferten geistlichen lateinischen Werken fehlt auch in diesem Fall ein Autograph, doch sprechen sowohl die Zuschreibung auf der Quelle in der Musiksammlung Vleugels (im Bezirksmuseum Buchen im Odenwald), die Nennung in zeitgenössischen Katalogen sowie stilistische Merkmale für eine Autorschaft Rosettis. Die überschaubare Besetzung und der geradezu kammermusikalische Charakter machen die Entstehung für einen Ort mit bescheideneren Möglichkeiten wahrscheinlich. Ungeachtet dessen handelt es sich bei der Messe um eine Missa solemnis, wie der Einsatz der Trompeten, die vollständige Vertonung des Messordinariums, das molltonale, dem Chor vorbehaltene Kyrie und die kunstvolle In gloria/Dona nobis pacem-Fuge darlegen. Von besonderem Reiz sind die Arien und Ensemblesätze mit ihrer abwechslungsreichen und reizvollen Melodik. Durch die Nähe zur Messe in D RWV H4 ist für die vorliegende Komposition eine Entstehung um 1780 anzunehmen. [Vgl. Roland Biener: Die geistlichen Werke Antonio Rosettis (= ortus studien 11), Beeskow 2011, S. 151–156.]
Roland Biener