Mit der von Friedrich von Flotow (1812–1883) komponierten und selbst so bezeichneten „Messe villageoise | Dorf-Messe“ liegt eines der wenigen überlieferten kirchenmusikalischen Werke des einst vor allem für seine Opern geschätzten Komponisten vor. In der vorliegenden Form entstammt das Werk der letzten Lebensphase des aus Mecklenburg gebürtigen Flotow, während derer er von 1880 bis zu seinem Tod 1883 auf dem Besitztum seiner Schwester Bernhardine in Darmstadt lebte. Uraufgeführt wurde das Werk höchstwahrscheinlich am 27.11.1882 in Darmstadt durch den Gesangverein „Liederkranz“. Den überlieferten Sekundärquellen nach handelte es sich dabei jedoch um die Bearbeitung eines Werkes aus Flotows früher Schaffenszeit, ursprünglich möglicherweise als Messe für Männerchor und Orchester konzipiert. Bei der Aufführung in Darmstadt erklang es in einer Fassung für Männerchor und Orgel, während die heute erhaltenen musikalischen Quellen das Werk als reines a cappella-Stück überliefern.
Einige Merkmale von Flotows „Dorf-Messe“ deuten darauf, dass er mit ihr bewusst an die Tradition der sogenannten „Landmesse“ anknüpfen wollte, so die äußerste Verknappung und geringe Ausdehnung der einzelnen Sätze. Dabei verlässt er im gesamten Werk nur an wenigen Stellen den bereits im einleitenden schlichten Kyrie angelegten Grundgestus einer lyrisch-pastosen Stimmung, gewinnt dieser aber immer wieder neue Schattierungen ab. Die gewollte Schlichtheit der Form geht jedoch nicht mit Kunstlosigkeit einher. Dafür stehen die äußerste Sorgfalt in der harmonischen Disposition der Gesamtanlage und der Binnenstruktur der drei Teile des Werkes, die Akribie, mit der Flotow dynamisch, agogisch und harmonisch den jeweiligen Klangcharakter der Sätze modelliert und nicht zuletzt eine technisch anspruchsvolle Stimmführung, die den Sängern hohe Intonationssicherheit abverlangt. Geschickt erzeugt der Komponist Farbwechsel zwischen den Sätzen über variantenreiche Änderungen der Besetzungskonstellationen, so durch den Wechsel von Vier- und Achtstimmigkeit, Soli- und Tutti-Konstellationen sowie Hoch- und Tiefchor-Besetzung.
In den achtziger Jahren des 19. Jh. offenbar als Konzertstück für Männerstimmen konzipiert und aufgeführt,
wird das schlichte, jedoch sehr schöne Werk seine Wirkung auch im liturgischen Rahmen nicht verfehlen.
T. Schwinger