Nach dem Tode August des Starken am 1. Februar 1733 versuchte sein Sohn, Kurfürst Friedrich August II. von Sachsen (1696–1763), wie sein Vater die polnische Königskrone zu erlangen. Im Ringen um eine Vormachtstellung in Mitteleuropa spielte die Wahlmonarchie Polen-Litauen eine wichtige Rolle: Die Habsburger und ihre Verbündeten unterstützten dabei den sächsischen Kurfürsten, der französische König Ludwig XV. hingegen seinen Schwiegervater, Stanisław Leszczyński (1677–1766). Dieser Konflikt löste den Polnischen Thronfolgekrieg (1733–1738) aus.
Friedrich August II. wurde zwar bereits am 17. Januar 1734 in Krakau zum polnischen König August III. gekrönt, allerdings konnte die für die Wettiner erneut erworbene Königskrone wegen anhaltender Kriegshandlungen noch nicht als gesichert gelten. Erst für den 30. Januar ist im Dresdner Hof- und Staatskalender die Nachricht der erfolgreichen Krönung offiziell vermerkt. Anscheinend wurde wegen der angespannten Lage erst Anfang Februar den Untertanen die Erlaubnis erteilt, Jubelfeiern abzuhalten. In Leipzig fanden im Februar 1734 mehrere Festveranstaltungen aus diesem Anlass statt, so auch um den 19. Februar im Zimmermannschen Kaffeehaus durch das von Johann Sebastian Bach geleitete Collegium Musicum. [...]
Für das Werk, das bereits in der ersten Zeile des Eingangschores „Blast Lärmen, ihr Feinde! Verstärket die Macht“ den Thronfolgekrieg anklingen lässt, griff Bach auf das Dramma per Musica „Der zufriedengestellte Aeolus“ („Zerreißet, zersprenget, zertrümmert die Gruft“, BWV 205.1 / BWV 205) für den Leipziger Universitätsprofessor August Friedrich Müller (1684–1761) aus dem Jahre 1725 zurück. Der Gelehrte hatte den gleichen Vornamen wie der neue König, ein erleichternder Umstand für das Parodieverfahren. Angesichts des offensichtlichen Zeitdrucks werden nur wenige Wendungen in den Rezitativen verändert worden sein: Bach hatte schon begonnen, in der Partitur der Parodievorlage den neuen Text auf die Königskrönung einzutragen, brach diesen Arbeitsgang aber mitten im Eingangschor ab und begnügte sich dann wohl damit, nur die Stimmen für die Sänger umzuarbeiten. Mit wenigen Handgriffen schuf Bach auf diese Weise – neben seinen regulären Verpflichtungen als Thomaskantor und Direktor der Universitätsmusik – eine repräsentative Huldigungskantate. Das Libretto stammt wie das der Parodievorlage möglicherweise von Christian Friedrich Henrici genannt Picander (1700–1764). Mit den vier in diesem Dramma per Musica auftretenden Tugenden („Pallas“ als Weisheit, „Gnade“, „Gerechtigkeit“ und „Tapferkeit“), die auch oft in der zeitgenössischen Malerei und Bildhauerei dargestellt wurden, wird auf Ciceros (106 v. Chr. – 43 v. Chr.) moralphilosophisches Werk De officiis (44 v. Chr.) angespielt, in dem u. a. die Pflichten eines Staatsmannes behandelt werden. [...]
Nach Bachs Tod fand die Huldigungsmusik unter seinem ältesten Sohn Wilhelm Friedemann, der das Notenmaterial offensichtlich geerbt hatte, in Halle erneut Verwendung: Zum ersten Mal im Jahre 1756 anlässlich des Dienstantritts des neuen Oberpfarrers an der Liebfrauenkirche, Friedrich Eberhardt Rambach (1708–1775). Dafür wurde das Werk offensichtlich mit geringstmöglichem Aufwand umgearbeitet. [...]
Historisch bedeutsamer ist eine zweite Umarbeitung der Festmusik anlässlich des Sieges Friedrichs II. gegen Österreich in der Schlacht bei Leuthen am 5. Dezember 1757. Der Text von 1756 wurde zu einem Dialog zwischen Religion, Vorsicht, Glaube und Freude verändert, sodass nun z. B. die erwähnte Bassarie auf den Text „So lebet, ihr Frommen, auf Friederichs Höhen“ begann. Noch eindeutiger spielt in dieser zweiten Halleschen Fassung die Arie der „Tapferkeit“ „Nun blühet das Vergnügen“ auf die Geschehnisse des Siebenjährigen Krieges an. So richtet sich deren Mittelteil unmittelbar an den Kriegsgegner Preußens: „Mein Friedrich, der mein Rachschwerdt trägt,
soll ihn noch oft besiegen“.
Quelle für die vorliegende Rekonstruktion der ,Krönungskantate‘ waren das überlieferte Partiturautograph der Parodievorlage (BWV 205.1 / BWV 205) sowie der überlieferte Breitkopf-Textdruck aus dem Jahre 1734.
Aus dem Vorwort von Alexander Grychtolik
om296/2 (Stimmensatz) ISMN 979-0-502342-04-3
[auf Nachfrage]